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Politik

Aktuell: "Wir werden mit Schaufeln kämpfen"

20. Juni 2022

Außenminister Kuleba betont die Entschlossenheit der Ukraine zum Kampf gegen Russland. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen rechnet damit, dass die Ukraine den Kandidatenstatus bekommen wird. Ein Überblick.

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Ukrainischer Außenminister Dmytro Kuleba
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba Mitte Mai bei einem Treffen mit seinen EU-Kollegen in Brüssel Bild: Olivier Matthys/AP Photo/picture alliance

Das Wichtigste in Kürze:

  • Kuleba spricht von einem Krieg um die Existenz der Ukraine
  • Selenskyj geht von stärkeren russischen Angriffen aus
  • Russland kritisiert Litauen wegen Beschränkungen beim Bahnverkehr
  • Wohnungen von Russen in München beschlagnahmt
  • Baerbock wirbt für EU-Kandidatenstatus der Ukraine

Die Ukraine würde auch bei einem Ende westlicher Waffenlieferungen den Kampf gegen Russland weiterführen. "Wenn wir keine Waffen erhalten, in Ordnung, dann werden wir mit Schaufeln kämpfen, aber wir werden uns verteidigen, denn dieser Krieg ist ein Krieg um unsere Existenz", sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba in der ARD. "Je früher wir also Waffen erhalten, (...) desto größer ist die Hilfe für uns."

Kuleba betonte, niemand im Westen solle glauben, dass die Ukraine ohne Waffenlieferungen eher zu Zugeständnissen bereit wäre. Er fügte hinzu, sein Land habe deutlich weniger Waffen als Russland zur Verfügung. "Wir können den Krieg nicht mit einem solchen Ungleichgewicht gewinnen." In den vergangenen Tagen hätten die Russen allein 1000 Raketen auf Ziele in der Ukraine abgefeuert. Deswegen benötige sein Land auch Luftabwehrsysteme.

Selenskyj erwartet mehr russische Angriffe

Nach Einschätzung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wird Russland seine Angriffe in dieser Woche angesichts der Beratungen über das Beitrittsgesuch der Ukraine zur Europäischen Union verstärken. "Diese Woche sollten wir von Russland eine Intensivierung seiner feindlichen Aktivitäten erwarten", sagt Selenskyj in seiner Videoansprache am Sonntagabend. Er fügte hinzu: "Wir sind bereit."

Wolodymyr Selenskyj
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Sonntag mit Militärs Bild: Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa/picture alliance

Das Kriegsgeschehen fokussierte sich unterdessen weiter im Gebiet der Stadt Sjewjerodonezk in der Ost-Ukraine. Die pro-russischen Separatisten nahmen nach eigenen Angaben die Ortschaft Toschkiwka rund 25 Kilometer südlich der Industriestadt ein. Unabhängig konnten die Angaben nicht überprüft werden.

In Sjewjerodonezk, wo vor dem Krieg rund 100.000 Menschen lebten, kontrollieren russische Truppen laut Bürgermeister Olekander Struk zwei Drittel der Stadt. "Ich hoffe, die Stadt wird gehalten", sagte Struk. Das britische Verteidigungsministerium hatte am Sonntag erklärt, im Frontverlauf gebe es "wenig Veränderungen".

Ukraine Lysychansk Soldaten Artillerieangriff
Ukrainische Kämpfer suchen in der Stadt Lysychansk Deckung vor russischen GranatenBild: Aris Messinis/AFP

Russland kritisiert Litauen wegen Beschränkungen beim Bahnverkehr

Russland hat die von Litauen verhängten Beschränkungen beim Bahnverkehr in die Exklave Kaliningrad als illegal kritisiert. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, diese Entscheidung stelle eine Verletzung von allem dar. Das Außenministerium in Moskau erklärte, sollte der Transport von Gütern nicht rasch wieder möglich sein, behalte sich Russland vor, seine Interessen zu schützen.

Litauen hatte am Samstag den Bahntransit für diejenigen Waren verboten, die auf der EU-Sanktionsliste stehen. Dazu gehören Kohle, Metalle, Baumaterial und Technologiegüter. Kaliningrad ist russisches Staatsgebiet, das aber auf dem Landweg nur über Litauen erreicht werden kann.

Russland | Bahnhof in Kalingrad
Leerer Bahnhof in Kaliningrad: Litauen hat den Bahntransit in die russische Exklave für diejenigen Waren verboten, die auf der EU-Sanktionsliste stehenBild: Vitaly Nevar/Tass/dpa/picture alliance

Kaliningrad - das frühere ostpreußische Königsberg - liegt an der Ostsee zwischen Litauen und Polen und hat keine direkte Landverbindung nach Russland.

Immobilien von Russen in München beschlagnahmt

Wegen der Sanktionen gegen Russland sind in Deutschland Immobilien russischer Staatsbürger beschlagnahmt worden. Wie die Staatsanwaltschaft München I mitteilte, wurden drei Privatwohnungen in der bayerischen Landeshauptstadt sowie das Konto für die Mietzahlungen beschlagnahmt. Betroffen seien ein Mitglied der russischen Staatsduma sowie dessen in München mit Wohnsitz gemeldete Ehefrau.

Die Staatsanwaltschaft erklärte, es handle sich um den ersten Fall in Deutschland, bei dem nicht nur Vermögenswerte aufgrund der Sanktionen "eingefroren", sondern tatsächlich Immobilien beschlagnahmt wurden. Die Mieter der Wohnungen dürfen dort wohnen bleiben, ihre Mieten von zusammen rund 3500 Euro pro Monat müssen sie nun aber an das Amtsgericht München zahlen.

Von der Leyen erwartet positives Signal vom EU-Gipfel

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat sich kurz vor dem EU-Gipfel in Brüssel davon überzeugt gezeigt, dass die Ukraine einen Kandidatenstatus bekommen wird. Sie gehe fest von einem positiven Bescheid aus, sagte von der Leyen in der ARD. Am Donnerstag und Freitag beraten die 27 EU-Staaten in Brüssel über die Empfehlung der EU-Kommission, Kiew zum Kandidaten für einen EU-Beitritt zu ernennen. Doch die Mitgliedsländer haben bislang keine einheitliche Linie dazu. Österreichs Regierung etwa will, dass auch Bosnien-Herzegowina den Kandidatenstatus bekommt. Rumänien will Georgien mit ins Boot holen.

Baerbock will EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine

Außenministerin Annalena Baerbock hat wenige Tage vor dem möglicherweise entscheidenden EU-Gipfel für eine konkrete EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine geworben. "Es gilt jetzt, nicht nach Schema F zu verfahren, sondern diesen historischen Moment zu nutzen und der Ukraine mit Blick auf ihre Perspektive deutlich zu machen: Ihr gehört mitten in die Europäische Union", sagte die Grünen-Politikerin am Rande eines EU-Außenministertreffens in Luxemburg.

Ebenso unterstützte Baerbock den Vorschlag der EU-Kommission, auch Ukraines kleinen Nachbarn Moldau zum EU-Beitrittskandidaten zu ernennen.

Australien liefert gepanzerte Kampffahrzeuge

Australien hat die ersten vier der 14 zugesagten gepanzerten Mannschaftstransportwagen des Typs Bushmaster an die Ukraine geschickt. Sie seien vergangene Woche in Queensland in ein ukrainisches Flugzeug verladen worden, sagte Verteidigungsminister Richard Marles.

Ein für die Ukraine vorgesehenes Militärfahrzeug von Typ Bushmaster wird in ein Antonov-Frachtflugzeug verladen
Ein für die Ukraine vorgesehenes Militärfahrzeug von Typ Bushmaster wird in ein Antonov-Frachtflugzeug verladenBild: Department of Defence/AAP/dpa/picture alliance

"Australien steht an der Seite der Ukraine und fordert Russland erneut auf, seine unprovozierte, ungerechte und illegale Invasion der Ukraine einzustellen." Die Kampffahrzeuge seien Teil der mehr als 285 Millionen australische Dollar umfassenden Hilfe.

Russland größter Öl-Lieferant Chinas

Russland hat im Mai so viel Öl nach China verkauft wie noch nie und ist damit zum größten Öl-Lieferanten der Volksrepublik aufgestiegen. China importierte im vergangenen Monat fast 8,42 Millionen Tonnen Rohöl aus Russland, wie die Zollbehörde in Peking mitteilte. Das sind knapp 55 Prozent mehr als vor Jahresfrist und etwa ein Viertel mehr als im April. Damit verdrängte Russland nach 19 Monaten wieder Saudi-Arabien von Rang eins der größten Öl-Lieferanten Chinas.

China Sinopec
Der chinesische Raffinerie-Riese Sinopec profitiert von kräftigen russischen Preisnachlässen beim Öl-ImportBild: dpa/MAXPPP/picture alliance

Chinesische Unternehmen wie der Raffinerie-Riese Sinopec profitierten dabei von kräftigen Preisnachlässen, nachdem sich westliche Öl-Konzerne und Handelshäuser aufgrund der Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs vom russischen Markt zurückgezogen hatten.

Italien bekommt weniger Gas aus Russland

Der italienische Energiekonzern Eni wird nach eigenen Angaben auch an diesem Montag und damit den sechsten Tag in Folge weniger Gas geliefert bekommen als beim russischen Konzern Gazprom angefragt. Am Freitag hatte Eni erklärt, nur etwa die Hälfte der bestellten Gasmenge erhalten zu haben. Russland begründet die Reduzierung seiner Liefermenge mit Wartungsproblemen. Italiens Regierungschef Mario Draghi sprach von einer Lüge.

Um eine Versorgungskrise zu verhindern, will Italien auf Flüssiggas aus Katar zurückgreifen. Eni gab eine Partnerschaft mit QatarEnergy bei einem großen Flüssiggasprojekt bekannt.

Industrie unterstützt Habecks Pläne

Die deutsche Industrie unterstützt Pläne von Wirtschaftsminister Robert Habeck, angesichts der Drosselung russischer Gaslieferungen den Gasverbrauch zu senken. Industriepräsident Siegfried Russwurm sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Wir müssen den Verbrauch von Gas so stark wie möglich reduzieren, jede Kilowattstunde zählt." Die Gasverstromung müsse gestoppt und Kohlekraftwerke müssten sofort aus der Reserve geholt werden.

Habeck ließ bislang offen, wie Deutschland auf eine etwaige Notfallsituation bei der Gasversorgung reagieren wird. Ob neben Appellen auch Anordnungen und Verbote nötig würden, "werden wir sehen", so der Minister der Grünen im ZDF. Entscheidend sei, dass die Gasspeicher zum Winter hin wie im Gesetz vorgesehen zu 90 Prozent gefüllt seien. Dies könne man durch Einkäufe, aber auch durch Sparsamkeit erreichen.

Fernheizkraftwerk Mellach
Die österreichische Regierung reaktiviert das stillgelegte Kohlekraftwerk Mellach in der Steiermark (Archivbild) Bild: Helge Sommer/dpa/picture-alliance

Angesichts gedrosselter russischer Gaslieferungen hat Österreichs konservativ-grüne Regierung beschlossen, das im Frühjahr 2020 abgeschaltete Kohlekraftwerk Mellach in der Steiermark zu reaktivieren. Oberstes Ziel sei es, die Gasversorgung des Landes sicherzustellen, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer. Mitte Juni lag die Füllmenge der österreichischen Gasspeicher bei 39 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland meldete die Bundesnetzagentur zuletzt 57 Prozent.

rb/se/gri/uh/hf (rtr, dpa, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.