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PolitikEuropa

Aktuell: Ukraine bietet Deutschland Atomstrom an

4. September 2022

Die Ukraine könnte ihren Atomstrom auch nach Deutschland exportieren, sagte der ukrainische Regierungschef Schmyhal bei seinem Besuch in Berlin. Präsident Selenskyj mahnt Einheit Europas an. Ein Überblick.

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Deutschland | Treffen ukrainischer Premierminister Denys Schmyhal mit Olaf Scholz
Der ukrainische Regierungschef wurde von Bundeskanzler Scholz mit militärischen Ehren empfangenBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Das Wichtigste in Kürze:

  • Ukrainischer Regierungschef bietet Deutschland Atomstrom an
  • Denys Schmyhal trifft Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
  • AKW Saporischschja über Reserveleitung im Notbetrieb
  • Selenskyj spricht vom "Energiekrieg"
  • Merz befürchtet "Blackout" im Winter

Die Ukraine will Deutschland mit der Lieferung von Atomstrom auf dem Weg aus der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen unterstützen. "Derzeit exportiert die Ukraine ihren Strom nach Moldau, Rumänien, in die Slowakei und nach Polen. Aber wir sind durchaus bereit, unsere Exporte auf Deutschland zu erweitern", sagte der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal der Deutschen Presse-Agentur. "Wir haben eine ausreichende Menge an Strom in der Ukraine dank unserer Kernkraftwerke."

Schmyhal wurde von Bundeskanzler Olaf Scholz mit militärischen Ehren vor dem Kanzleramt empfangen und traf Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue. Er ist der höchstrangige ukrainische Besucher in Deutschland seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor gut einem halben Jahr.

Scholz: Hilfe für Ukraine wird nicht nachlassen

Eine gemeinsame Pressekonferenz von Scholz und Schmyhal wurde schon am Samstag mit dem Hinweis auf Terminschwierigkeiten von deutscher Seite abgesagt. Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte Scholz in dem Gespräch, dass Deutschland nicht nachlassen werde, die Ukraine militärisch, aber auch politisch, finanziell und humanitär zu unterstützen.

Deutschland | Treffen Premierminister der Ukraine Denys Schmyhal mit Frank-Walter Steinmeier
Der Premierminister der Ukraine Denys Schmyhal traf den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter-SteinmeierBild: Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Zuvor bedankte sich Schmyhal bei einem Treffen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für die deutsche Hilfe. Er habe sich "für die Solidarität mit den Ukrainern und die Unterstützung bedankt", schrieb Schmyhal auf dem Kurznachrichtendienst Twitter - und fügte hinzu: "Wir werden gewinnen." Gleichzeitig unterstrich Schmyhal bei dem Treffen nach Angaben seines Büros, wie wichtig es für sein Land sei, dass die Waffenlieferungen "verstärkt" würden. Die Ukraine hoffe, dass Deutschland insbesondere bei der Luftabwehr gegen die russischen Angreifer eine "führende Rolle" einnehmen werde.

Steinmeier habe bei dem einstündigen Treffen mit dem Gast aus Kiew zugesichert, dass Deutschland "weiter zuverlässig solidarisch an der Seite der Ukraine stehen" werde, erklärte die Sprecherin des Bundespräsidenten.

200 Millionen Euro für Binnenflüchtige in der Ukraine

Der Wiederaufbau war Schwerpunkt des Treffens von Schmyhal mit Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze. Bei der Unterredung mit der Ministerin bedankte er sich nach eigenen Worten für die von Deutschland zugesagten Hilfen in Höhe von 200 Millionen Euro für die Versorgung von Binnenflüchtlingen. Ein Teil des Geldes solle für Geschäftsgründungen von Binnenflüchtlingen genutzt werden. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen gibt es in der Ukraine rund acht Millionen Binnenflüchtlinge.

Berlin Ministerin Svenja Schulze trifft Ministerpräsident Denys Schmyhal Ukraine
Der Regierungschef der Ukraine spricht mit Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze über den Wiederaufbau Bild: Florian Gaertner/photothek/picture alliance

Ministerin Schulze sagte nach ihrem Treffen mit Schmyhal zu, "die richtigen Weichen zu stellen für einen nachhaltigen, reformorientierten Wiederaufbau der Ukraine Richtung EU". Dies erfordere einen "langen Atem".

AKW in Saporischschja erneut vom Netz getrennt

Das von russischen Truppen besetzte ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja ist erneut vom Netz getrennt worden. Wie die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) bekannt gab, ist die Verbindung zwischen der letzten verbleibenden Hauptstromleitung des Kraftwerks und dem Versorgungsnetz unterbrochen worden.

Die IAEA sei "vor Ort" darüber informiert worden, dass die Anlage weiter Strom über eine Reserveleitung liefere. "Ein Reaktor arbeitet noch und produziert Strom sowohl für die Kühlung als auch für andere wesentliche Sicherheitsfunktionen der Anlage und für Haushalte, Fabriken und andere", heißt es weiter. Die Verbindung sei "nach neuen Bombenangriffen in dem Gebiet" unterbrochen worden.

Das seit März von Russland besetzte Atomkraftwerk Saporischschja sowie dessen Umgebung waren in den vergangenen Wochen immer wieder beschossen worden. Die Ukraine und Russland machen sich gegenseitig für die Angriffe verantwortlich. Bereits am 25. August war das AKW vorübergehend vollständig vom Stromnetz abgeschnitten worden - zum ersten Mal in der Geschichte des größten Atomkraftwerks Europas.

Selenskyj spricht vom "Energiekrieg"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland einen Energiekrieg vorgeworfen und zu mehr Einheit in Europa aufgerufen. "Russland versucht in diesen Tagen, den Energiedruck auf Europa noch weiter zu erhöhen - das Pumpen von Gas durch die Nord Stream wurde komplett eingestellt", sagte Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft.

Wolodymyr Selenskyj
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Bild: Gleb Garanich/REUTERS

"Russland will das normale Leben jedes Europäers zerstören - in allen Ländern unseres Kontinents." Es gehe darum, die Staaten in Europa zu schwächen und einzuschüchtern. Russland verwende dazu neben Panzern und Raketen auch Energie als Waffe. In diesem Winter bereite Russland den "entscheidenden Schlag" im Energiesektor vor. Dagegen helfe nur ein noch größerer Zusammenhalt, sagte Selenskyj.

Merz befürchtet Strom-"Blackout" im Winter

CDU-Parteichef Friedrich Merz hat vor einem Ausfall der Stromversorgung im Winter gewarnt, falls Deutschland am Atomausstieg festhält. "Es droht eine vollkommene Überlastung des Stromnetzes im Herbst und Winter sowie eine mangelhafte Versorgung mit Strom", sagte Merz der Wochenzeitung "Bild am Sonntag". Wenn nur jeder fünfte Gaskunde in diesem Winter mit Strom heize, werde sich der Strombedarf der privaten Haushalte verdoppeln, sagte Merz. Er warf der Regierung vor, aus ideologischen Gründen am Atomausstieg festzuhalten.

Friedrich Merz bei der Generaldebatte der Haushaltswoche am 1. Juni im Bundestag
Friedrich Merz sorgt sich um die Stromversorgung im Winter (Archivbild) Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Wegen der Energiekrise, die sich durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zugespitzt hat, gibt es seit Monaten eine Debatte, ob die drei verbleibenden Atomkraftwerke länger laufen sollen, obwohl ihre Leistungsbetrieb-Berechtigung zum Jahresende erlischt. Die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP prüft derzeit in einem Stresstest die Sicherheit der Stromversorgung. Danach will sie entscheiden, ob die AKW noch etwas länger laufen.

Kanzler sieht Energieversorgung gesichert

Bundeskanzler Olaf Scholz zeigt sich optimistisch, dass die Energieversorgung gesichert ist. "Wir werden durch diesen Winter kommen", sagt er bei Vorstellung der Ergebnisse des Koalitionsausschusses an diesem Sonntag in Berlin. Die Spitzen der Ampel-Koalition haben sich auf ein drittes Entlastungspaket mit einem Gesamtvolumen von 65 Milliarden Euro geeinigt.

rb/se/fab/nob/hf (AFP, AP, dpa, epd, KNA, Reuters)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.