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PolitikEuropa

Mögliche Wehrpflicht in Deutschland - und wo noch in Europa?

9. Mai 2024

Aus Sorge vor Russland und wegen Nachwuchsproblemen in der Bundeswehr fordert die konservative CDU eine Rückkehr zur Wehrpflicht in Deutschland. Wie gehen andere Länder damit um? Beispiele aus Europa.

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Soldaten des Logistikbataillons 172 üben am 29.03.2011 in Beelitz in ihrer Grundausbildung das Leben im Gelände
Ein Bild aus alten Tagen: Ein Soldat übt in seiner Grundausbildung das Leben im Gelände (Archivbild von 2011) Bild: picture-alliance/dpa/M.

Nach langen Diskussionen schließlich doch: Die konservative CDU stimmte auf ihrem Parteitag für eine schrittweise Rückkehr zur Wehrpflicht in Deutschland. Junge Leute müssten demnach verpflichtend für eine bestimmte Zeit zur Armee oder in den sozialen Bereich. Seit 2011 war sie ausgesetzt worden. "Wir werden die Aussetzung der Wehrpflicht schrittweise zurücknehmen und die Wehrpflicht in ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr überführen", heißt es in dem Beschluss.

Das sogenannte Gesellschaftsjahr könnte sowohl bei der Bundeswehr als auch in sozialen Einrichtungen absolviert werden. Bis zur endgültigen Umsetzung soll eine "Kontingentwehrpflicht" eingeführt werden, bei der je nach Personalbedarf der Bundeswehr eingezogen wird. Grund für die Kehrtwende der CDU ist die Sorge vor Russland und der Personalmangel bei der Bundeswehr. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius will nun bis zum Sommer darüber entscheiden. Wie haben andere Länder ähnliche Probleme gelöst?

Schweden - ein Vorbild für Deutschland?

Pistorius lässt derzeit verschiedene Modelle prüfen, darunter auch das schwedische Modell. Schweden hatte seine Wehrpflicht 2010 ausgesetzt, jedoch schon sieben Jahre später vor dem Hintergrund der russischen Annexion der Krim wieder eingeführt.

Seitdem müssen sich alle 18-Jährigen zur Musterung melden und einen entsprechenden Online-Bogen ausfüllen. Ein Teil von ihnen wird zur medizinischen Beurteilung eingeladen. Nur etwa fünf bis zehn Prozent eines Jahrgangs - Männer und Frauen - tritt den Dienst schließlich an. Rekrutiert werden nur junge Leute, die auch zum Wehrdienst bereit sind.

Somit gibt es eine Musterungspflicht. Der Dienst selbst ist de facto freiwillig. Ende 2023 beschloss das Land zudem, auch die Zivildienstpflicht zum Beispiel im Rettungsdienst wieder einzuführen. Verteidigungsminister Pistorius erklärte, das schwedische Modell "sei besonders geeignet" für deutsche Bedürfnisse.

Dänemark und Norwegen - auch Frauen (künftig) dabei

Auch in Dänemark gibt es eine Wehrpflicht ab 18 Jahren, allerdings bislang nur für Männer. Frauen sollen ab 2026 rekrutiert werden. Außerdem soll der Grundwehrdienst von vier auf elf Monate verlängert werden. Ähnlich wie in Schweden wird derzeit nur ein Teil eines Jahrgangs einberufen, da es genug Freiwillige gibt.

Wehrpflicht für Frauen in Norwegen

In Norwegen müssen seit 2016 neben Männern auch Frauen zur Musterung melden, wo ihre Eignung für die Armee medizinisch beurteilt wird. Auch hier wird nur ein Bruchteil tatsächlich eingezogen. Wegen der strengen Auswahl gilt der Dienst als ähnlich prestigeträchtig wie andere höhere Bildungsabschlüsse.

Österreich - eine kurze Episode

Deutschlands Nachbarland hat trotz vieler Diskussionen seine Wehrpflicht nie aufgegeben. Männer zwischen 18 und 35 Jahren werden zum nur sechsmonatigen Grundwehrdienst im Bundesheer eingezogen - sofern zuvor eine entsprechende Eignung festgestellt wurde. Wer aus Gewissensgründen nicht in die Armee möchte, kann auch einen neunmonatigen Zivildienst ableisten. Frauen können freiwillig ins Heer.

Lettland - Wehrpflicht wegen Russlands Angriffskrieg

Auch Lettland hat seine Wehrpflicht wieder eingeführt - seit vergangenem Jahr auf freiwilliger Basis, ab diesem Jahr sollen alle 18- bis 27-jährigen Männer eingezogen werden. Der Dienst ist auf elf Monate angesetzt. Frauen können sich freiwillig für die Ausbildung entscheiden. Ab 2028 sollen jedes Jahr 7500 Männer einberufen werden. Dies entspricht laut NATO etwa der Anzahl der Berufssoldaten in dem Land.

Ein Ersatzdienst ist möglich und kann in einer Einrichtung abgeleistet werden, die dem Verteidigungsministerium unterstellt ist. Das baltische Land hatte die Wehrpflicht wegen Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine wieder eingeführt. Es ist eines der NATO-Länder, die an Russland grenzen.

Ukraine und Litauen - Wehrpflicht nach Krim-Annexion

Die Ukraine hat bereits kurz nach der russischen Annexion der Krim 2014 die Wehrpflicht wieder eingeführt. Sie gilt für alle Männer zwischen 18 und 26 Jahren. Zudem hat die ukrainische Regierung nach dem russischen Großangriff im Februar 2022 ein Gesetz erlassen, wonach alle Männer zwischen 18 und 60 Jahren eingezogen werden können.

Auch Litauen hat schnell reagiert und hat die Wehrpflicht - nachdem sie einige Jahre zuvor abgeschafft wurde - 2015 wieder eingeführt. Rund 3500 Staatsbürger sollen jedes Jahr eingezogen werden.

Freiwillige Rekruten marschieren in Litauen mit Uniform und Gewehr in der Hand.
Litauen hat die Wehrpflicht 2015 wieder eingeführt - diese Rekruten haben sich freiwillig gemeldet (Archivbild 2015)Bild: Alfredas Pliadis/Verteidigungsministerium Litauen/picture alliance / dpa

Griechenland - Zivildienst dauert doppelt so lange

In Griechenland sind alle Männer zwischen 18 und 45 Jahren zum Militärdienst verpflichtet. Der Dienst an allen Waffengattungen beträgt zwölf Monate. Ausnahmen gibt es je nach Einsatzort und Einheit. Die kürzeren Dienste gelten zum Beispiel beim Einsatz an der Grenze oder bei Sondereinheiten wie den Fallschirmjägern oder Tauchern. Auch Wehrpflichtige aus kinderreichen Familien haben einen kürzeren Dienst.

Die Alternative ist der Zivildienst, der jedoch doppelt so lange dauert. Künftig soll es auch einen freiwilligen Militärdienst für Frauen geben. Der grundsätzliche Dienst an der Waffe wurde erst 2021 verlängert. Grund ist der langanhaltende Konflikt mit der Türkei, zudem ist die Geburtenrate niedrig.

Türkei - gegen Geld kürzer zur Armee

Die Türkei kann eine Besonderheit aufweisen: Wehrpflichtige können gegen eine Zahlung von rund 5000 Euro ihre Zeit beim Militär um vier Wochen verkürzen. In der Vergangenheit waren sogar längere Zeiträume möglich, die gegen Bezahlung gestrichen wurden. Generell gilt die Wehrpflicht für alle Männer zwischen 20 und 41 Jahren, sie dauert mindestens sechs Monate. Wer sich dem Dienst entzieht, bekommt eine Geldstrafe oder muss sogar ins Gefängnis. Ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung gibt es nicht.

Stephanie Höppner Autorin und Redakteurin für Politik und Gesellschaft