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Jugendorganisation mit Gewaltpotential

Antonio Cascais2. Juli 2015

Wie kriminell sind die Imbonerakure? Die Jugendorganisation von Burundis Regierungspartei CNDD-FDD soll Oppositionelle entführt, gefoltert und ermordet haben. Alles Lüge - sagen ihre Vertreter.

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Burundi Imbonerakure Miliz
Imbonerakure gehen in Bujumbura gegen Demonstranten vor (Mai 2015)Bild: Getty Images/AFP/C. de Souza

Angespannte Ruhe herrschte am Donnerstag auf den Straßen von Bujumbura, nachdem am Mittwoch in Cibitoke, einem Vorort der burundischen Hauptstadt, sechs Menschen den Tod fanden. Sicherheitskräfte hatten die wehrlosen Männer, Unterstützer der Oppositionsbewegung, die gegen Präsident Pierre Nkurunziza demonstriert hatten, regelrecht exekutiert, berichteten Zeugen.

Die Opposition will die Parlamentswahlen vom Montag nicht anerkennen und auch eine dritte Amtszeit des Präsidenten verhindern. Nkurunziza besteht allerdings auf seine Kandidatur bei den für den 15. Juli anberaumten Präsidentschaftswahlen. "Diese sollen durchgezogen werden - notfalls mit Gewalt", sagte Oppositionsführer Charles Nditije. Der Präsident verlasse sich dabei nicht nur auf seine Sicherheitskräfte, sondern auch auf bewaffnete Milizen innerhalb der sogenannten Imbonerakure - der Jugendorganisation seiner Partei.

Burundische Flüchtlinge in Ruanda (Foto: Getty Images)
Brurundische Flüchtlinge berichteten der UNO über Gewaltexzesse der Imbonerakure-MilizenBild: S. Aglietti/AFP/Getty Images

Wer sind die Imbonerakure?

Die UNO machte erst kürzlich die Imbonerakure für Exekutionen, Entführungen und Folter verantwortlich. Die zunehmende Gewalt einer regierungstreuen Miliz in Burundi könnte nach Auffassung der Vereinten Nationen einen neuen Bürgerkrieg in dem ostafrikanischen Land auslösen. Flüchtlinge, die in Nachbarländern Zuflucht gesucht haben, hätten berichtet, dass die berüchtigte Imbonerakure-Miliz grausame Verbrechen begehe, sagte UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Zaid Raad Al-Hussein, Anfang Juni in Genf. Seit Monaten sorgten sie für Angst und Schrecken auf den Straßen Bujumburas: Angehörige einer bewaffneten Miliz, die friedliche Demonstranten provoziere, sie in Schlägereien verwickele und manchmal sogar töte. "Das könnte zu einer Eskalation der ohnehin extrem angespannten Situation führen", erklärte der Hochkommissar für Menschenrechte.

"Politische Morde, in Auftrag gegeben vom Nkurunziza-Regime, sind an der Tagesordnung", behauptet auch Oppositionsführer Charles Nditije. Die Täter - das seien die berüchtigten Imbonerakure.

Imbonerakure heißt in der Sprache Kirundi soviel wie "Die, die weit sehen". Es ist der Name der Jugendorganisation der herrschenden Partei CNDD-FDD (Nationalrat für die Verteidigung der Demokratie - Kräfte für die Verteidigung und Demokratie), die 2003 gegründet wurde. Heute gehört Imbonerakure zu den größten und mächtigsten Organisationen des Landes. Wieviele Anhänger sie hat, kann auch ihr Chef Denis Karera nur schätzen: "Wir dürften inzwischen weit mehr als eine Million Mitglieder haben".

Burundi Sicherheitsmaßnahmen (Foto: AP)
Präsident Nkurunziza stützt seine Macht auf das Militär, den Geheimdienst, aber auch auf die ImbonerakureBild: picture-alliance/AP Photo/J. Delay

Wer kontrolliert die Imbonerakure?

In der Vergangenheit wurden Mitglieder der Imbonerakure immer wieder mit Gewaltexzessen in Verbindung gebracht: Sie sollen an Folterungen, schweren Misshandlungen und politisch motivierten Angriffen und Tötungen von Oppositionellen beteiligt gewesen sein. Dabei agierten sie praktisch in einem rechtsfreien Raum, denn es gebe keine staatliche Instanz, die sich ihnen entgegenstellen würde. "Ein Staat im Staate" - behaupten Kritiker, wie die Journalistin Domitille Kiramvu, die jahrelang beim unabhängigen Radiosender RPA in Bujumbura gearbeitet hat. Sie sieht sich selbst als Opfer der Imbonerakure: "Ich wurde mehrmals von Mitgliedern der Organisation mit dem Tod bedroht. Irgendwann hatte ich keine andere Wahl, als das Land zu verlassen." Bereits 2006 hatten Imbonerakure sie verschleppt, weil ihnen die Nachrichten nicht gefielen, die Domitille Kiramvu im Radio präsentierte. Die Entscheidung, ins Exil zu gehen, traf sie im Dezember 2014, nachdem ein Imbonerakure-Mann sie im Radiosender aufsuchte und ihr unmissverständlich mitteilte, dass es beim nächsten Mal nicht bei einer Entführung bleiben würde.

Domitille Kiramvu
Journalistin Domitille Kiramvu wurde von Imbonerakure bedrohtBild: DW

In den vergangenen Monaten hat sich der Terror der Imbonerakure verstärkt. Während der Proteste gegen Präsident Nkurunziza sorgten Milizionäre der Imbonerakure für Angst und Schrecken unter den Demonstranten, behauptet die Opposition. Imbonerakure seien eng mit einzelnen Führern von Polizei und Armee sowie mit dem berüchtigten Geheimdienst SNR (Service National de Renseignement) verzahnt.

"Die Jugendorganisation der Partei von Nkurunziza ist zu einer Terrorbande verkommen, die kaum einer kontrollieren kann - auch nicht die Armee und Polizei", behauptet Donatien Kwizera, Chef der Jugendorganisation der Oppositionspartei MSD. Und er geht mit seiner Kritik noch viel weiter: Staatliche Instanzen hätten Waffen an die Imbonerakure verteilt: "Mit diesen Waffen machen sie, was sie wollen. Die Imbonerakure haben ihre eigenen Gesetze und stehen außerhalb der Kontrolle der staatlichen Instanzen, die sie keinesfalls respektieren."

Imbonerakure: "Wir sind eine friedliche politische Organisation"

Die Vertreter von Imbonerakure leugnen, jemals Waffen bekommen zu haben. Im Gespräch mit der DW zeigt sich Denis Karera, Präsident der Jugendorganisation, überrascht von dem Vorwurf: Die Imbonerakure seien eine friedliche politische Organisation, die ausschließlich mit politischen Mitteln arbeite. Er wisse von keiner einzigen Waffe, die an Imbonerakure verteilt worden wäre: "Ich kann solche Informationen einfach nicht ernst nehmen. Ich bin gegen jegliche Gewalt und lehne es ab, Leute zu unterstützen, die zur Gewalt greifen."

Burundi Bujumbura Proteste gegen Präsident Nkurunziza Demonstration Polizei Tränengas (Foto: REUTERS)
Bujumbura: Proteste gegen Präsident Nkurunziza sind an der TagesordnungBild: Reuters/G. Tomasevic

Berichte, nach denen Imbonerakure Oppositionelle bedroht und gezwungen haben sollen, der regierenden CNDD-FDD beizutreten, seien völlig aus der Luft gegriffen: "Wie kann jemanden zwingen, der Partei beizutreten? Wie will man das überwachen? Soll da etwa am Wahltag immer einer hinter dem Betreffenden stehen und kontrollieren, was er wählt? Es ist einfach nicht wahr, dass die Imbonerakure Leute unter Druck setzten! Man will uns einfach nur diskreditieren."

Doch Kontrahent Donatien Kwizera bleibt dabei: Uniformen der burundischen Polizei und Armee seien in Wohnungen von Imbonerakure-Mitgliedern in verschiedenen Stadtteilen gefunden worden. Und Waffen: "Vor Kurzem tauchten bewaffnete Imbonerakure während Demonstrationen in den Stadtteilen Cibitoke, Buterere and Kinama auf", sagt Donatien Kwizera. Die Bevölkerung habe sie gesehen und teilweise überwältigt. "Sie hatten Handgranaten, Macheten und andere Waffen, die ihnen teilweise abgenommen werden konnten. Das ist der Beweis, dass sie geplant hatten, ihre Gegner zu töten."

Mitarbeit: Apollinaire Niyirora