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Wenn Häuslebauers Träume platzen

Mischa Ehrhardt
11. Oktober 2022

Höhere Bauzinsen, stark gestiegene Energie- und Baukosten: Viele Bauprojekte werden derzeit storniert oder müssen neu verhandelt werden. Immobilienfinanzierer vermelden einen abrupten Nachfrageeinbruch.

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Symbolbild Hausbau
Ein Bauhelm liegt auf einer Baustelle eines RohbausBild: Patrick Pleul/picture alliance/dpa

Die Stornierungswelle im Wohnungsbau wächst an. Nach einer Umfrage der Wirtschaftsforscher des Münchener Ifo-Instituts geben mittlerweile fast 17 Prozent der Unternehmen an, von Stornierungen im Wohnungsbau betroffen zu sein. "Aufgrund der explodierenden Material- und Energiepreise sowie der steigenden Finanzierungszinsen ist die Planungssicherheit dahin", fasst Ifo-Forscher Felix Leiss die aktuelle Lage zusammen.

Mit der Planungssicherheit platzt für eine zunehmende Anzahl von Menschen auch der Traum der eigenen vier Wände. Das stellen Sparkassen und Bausparkassen fest, bei denen gewöhnlich viele Anfragen zur Baufinanzierung auflaufen. "Die Nachfrage ist von einem Tag auf den anderen eingebrochen. Viele Projekte im Planungsstadium werden storniert", sagte Sparkassenpräsident Helmut Schleweis dem Handelsblatt. Schleweis führt das zum einem auf die Verunsicherung durch verschiedene Krisen zurück; zum anderen aber auch auf steigende Zinsen und Materialkosten.

Bau von Eigenheimen, hier in Schleswig-Holstein
Ob es hier noch weitergeht? Auf so mancher Baustelle nicht...Bild: P.Nowack/IMAGO/Penofoto

Baufirmen haben plötzlich wieder Zukunftssorgen

Auf der anderen Seite trüben sich mit Einbruch natürlich auch die Geschäftserwartungen von Bauunternehmen nochmals ein. Der Ifo-Indikator für die Branche ist in diesem Monat auf einen außergewöhnlich schwachen Wert gesunken. Zwar verfügten die Unternehmen noch über große Auftragsreserven. "Aber die Zukunftssorgen waren selten so groß. Die Erwartungen notieren auf dem tiefsten Stand seit Beginn der Erhebung 1991", sagte Felix Leiss. Ein Drittel der Bauunternehmen klagt nach wie vor über Probleme wegen Materialmangels und hoher Preise.

Zwar gibt der Zentralverband Deutsches Baugewerbe an, dass die Preise für Betonstahl und Bauholz zuletzt leicht rückläufig waren. Dafür seien im August aber die Preise für mineralische Baustoffe aber weiter geklettert. Vor allem zur Herstellung von Zement ist viel Energie nötig. In Folge der angespannten Lage planen die Unternehmen für die kommenden Monate auf breiter Front weitere Preiserhöhungen. Auf Häuslebauer und Immobilienkäuferinnen kommen aber nicht nur höhere Baukosten zu. Auch die Finanzierung gestaltet sich zunehmend schwer.

Symbolbild Hausbau
Unfertige Baustelle eines Eigenheimes in Schleswig-HolsteinBild: P.Nowack/IMAGO/Penofoto

Höheres Zinsniveau

Am Dienstag lagen die Zinsen für Kredite zur Bau- und Immobilienfinanzierung mit zehnjähriger Zinsbindung bei fast 3,9 Prozent, so die Daten von Interhyp. Interhyp ist der nach eigenen Angaben größte Vermittler privater Baufinanzierungen in Deutschland. Und Besserung ist nicht in Sicht. "Auch wenn die erwarteten Leitzinserhöhungen zum Teil bereits eingepreist sind, müssen Immobilienkäufer weiter mit leicht höheren Bauzinsen rechnen", sagte Mirjam Mohr, Vorständin Privatkundengeschäft der Interhyp gegenüber der DW. Im Vergleich zum Vorjahr, wo die Zinsen für Bau- oder Kaufvorhaben bei einem Prozent lagen, haben sie sich fast vervierfacht.

Hintergrund sind die starken Zinsanhebungen der Europäischen Zentralbank (EZB). Die hat in diesem Jahr die Zinsen in zwei großen Schritten auf 1,25 Prozent angehoben. Zugleich hat die Notenbank weitere Zinserhöhungen angekündigt, weil sie die hohe Inflation bekämpfen muss. Der rasante Anstieg der Preise wiederum vermindert insgesamt die Kaufkraft der Menschen, die deswegen Reallohnverluste hinnehmen müssen. Auch das lässt den Traum vom Eigenheim in die Ferne rücken.

Auch Mieter betroffen

Deswegen sieht Sparkassenpräsident Helmut Schleweis politischen Handlungsbedarf. "Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass für eine junge Familie mit zwei Durchschnittsgehältern Wohneigentum nur schwer erschwinglich ist." Schleweis sprach sich dafür aus, die Grunderwerbssteuer zu senken und weitere Förderprogramme der Staatsbank KfW aufzulegen.

Die Konsequenzen dieser durch die Krise bedingten Entwicklungen erfahren auch Mieterinnen und Mieter am Wohnungsmarkt. So zeigt eine jüngst vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) veröffentlichte Studie, dass in drei Viertel aller untersuchten Kreise in der Republik die Erschwinglichkeit von Mietwohnungen gesunken ist. Und dieser Trend verschärft sich aktuell durch die steigenden Wohnnebenkosten.

"Die Politik sollte hier genau hinschauen", mahnt Studienautor und Immobilienökonom Michael Voigtländer. "Viele Menschen werden aus finanziellen Gründen nicht mehr umziehen können, insbesondere junge Erwerbstätige, Studenten und Familien mit kleinen Kindern. Viele müssen sich darauf einstellen, den Traum vom großzügigen Wohnen künftig nicht mehr realisieren zu können."